Schöner leben mit dem Wahlomat

Schöner leben mit dem Wahlomat

Auch wenn ich nicht in NRW, Schleswig-Holstein oder im Saarland lebe, finde ich es doch immer wieder interessant, auch mal dort den Wahlomat zu bedienen, wo man nicht wohnt und nicht mit der Landespolitik vertraut ist. Interessant vor allem, weil man dabei auf Meinungen und Themen stoßen kann, die einem in der eignen Landespolitik vielleicht nicht begegnen. So geschehen heute im Wahlomat für die kommende Landestagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Ich mache bei allen Fragen mein Kreuzchen, gewichte im Anschluss die Themen und werde wie immer zum Abschluss vom Wahlomat gefragt, welche Parteien ich vergleichen will. Wie sonst auch, bin ich versucht, alle sechs mehr oder weniger etablierten Parteien bekannt aus Film, Funk und Fernsehen anzukreuzen, und fertig. Zur Sicherheit scrolle ich trotzdem noch runter zu Sonstige. Und da fällt mein Blick auf einen bunten Vogel. Sieht auf den ersten Blick ein bisschen wie der Twitter-Vogel aus, denke ich. Hat Twitter jetzt eine eigene Partei gegründet? War mir bislang entgangen.

Schöner Leben

Ich scrolle über das Logo und erfahre, hier handelt es sich um die Partei Schöner Leben. Wie nett. Netter Name für eine Partei. Spricht mich an. Schöner leben. Ich denke darüber nach. Ja, da gibt es sicher das eine oder andere, was noch schöner werden könnte – das Zusammenleben der Menschen zum Beispiel, sich mit Respekt und Anerkennung begegnen, anderen Zuhören können, die Zusammenarbeit für eine friedliche Welt, in Achtsamkeit für Natur und Gesundheit zu leben, eine höhere Verbindlichkeit unter den Menschen. Gut, das sind ein paar Dinge, die Leben schöner machen könnten. Doch sind das Themen, die in die Hände von Politikern gehören? Können die etwas tun, um mehr Verbindlichkeit in unserer Gesellschaft herzustellen? Schwierig. Zwar haben Politiker Leitbildfunktion, doch sie sind auch Menschen, viele von ihnen verfangen in dem Durcheinander, in dem sich diese Gesellschaft befindet und anscheinend ungeeignet, etwas nachhaltig zu ändern.

Neu denken

Was ist denn eigentlich die Parole dieser neuen Partei „Schöner Leben“? „Die politische Landschaft auf den Kopf stellen und Parteienpolitik konsequent erneuern“ lese ich auf der Parteiwebsite. Ok. Klingt erstmal vernünftig bei dem Ruf, den Parteipolitik hat. Aber, Moment…, irgendwie kommt mir dieser Satz bekannt vor. Waren da nicht mal vor ein paar Jahren diese Nerds mit der Augenklappe im Logo? Die wollten doch auch die etablierte Parteienlandschaft kapern und versenken. Und auch von dieser noch relativ neuen Rechtsaußenpartei meine ich solche Anliegen vernommen zu haben. Und, ach ja, in den 80zigern des vergangenen Jahrhunderts, da gab es doch auch schon mal Leute, die den Muff aus den Talaren der Politik kehren wollten.

Was aus den Nerds geworden ist, ist bekannt, mit Mann und Maus im Politsumpf untergegangen. Was aus den Rechtsauslegern wird, bleibt abzuwarten. In Selbstzerlegung sind sie jedenfalls schon prima geübt. Ja, und die mit den muffigen Talaren tragen diese inzwischen selbst. Was also soll eine nächste Partei, die das etablierte System einer von Lobbyismus dominierten Politik durchbrechen will?

Zumindest auf den ersten Blick scheint diese neue Partei etwas richtig zu machen. Da ist viel von Mitmachen die Rede auf der Website. Und Listenplätze werden zum Teil verlost. Und ja, ich kann dem auch nur zustimmen, es braucht neue (ich würde es „andere Diskurse“ nennen) Diskurse in diesem Land, besser gesagt auf diesem Planeten. „Schöner Leben“ will „ein wertschätzendes, kreatives, achtsames und phantasievolles, kurz gesagt, ein schönes Miteinander“. Gut so. Ich wünsche ihnen, das sie das hinkriegen, ohne sich im etablierten Politdschungel zu verlaufen. Und wenn sie bei einer Wahl antreten, die ich auch mitmachen darf, mal sehen, vielleicht wähle ich sie ja sogar. Der Wahlomat NRW meint jedenfalls, ich sollte das tun.

Wer bist du?

Wer bist du?

Niemand fragt „Wer bist du?“, sondern nur „Was bist du?“. Und genau das ist das Problem.

Diese Sätze twitterte ich am 22. Januar 2017, gegen 22h. Sie waren im Wiener Tatort gefallen. Sie bringen eine Essenz auf den Punkt, die ich so bislang nur sehr selten per TV frei Haus aufs Sofa geliefert bekommen habe. Dem ORF und der ARD möchte ich ausdrücklich dafür danken, dass sie sich getraut haben, diese Wahrheit so unumwunden auszusprechen.

Ich war verwundert, über die Resonanz, dieser Tweet auslöste. So viele Likes und Retweets habe ich jedenfalls noch nie bekommen.

Für alle Nicht-Tatörtler sei kurz erklärt: Diese Sätze sprach etwa sinngemäß ein Vater zu seinem Sohn, nachdem ihm dieser den Abbruch seines Studiums verkündet hatte. Als Konsequenz der Umstände seines jungen Lebens entführt der junge Mann daraufhin seine Eltern und verkündet per Livestream deren und seine bevorstehende Tötung. Es folgt das Anlaufen der Kriminalmaschinerie mit Sonderkommission und SEK. Und es folgt die Analyse der Spezialisten, wer dieser Täter ist.

Wer bist du, Täter? Diese Frage steht bei so gut wie jedem Krimi zunächst im Mittelpunkt. Da wird der Wohnort, das berufliche und das private Umfeld ermittelt. Doch beantworten diese Ansätze wirklich die Frage nach dem „Wer“? Oder fragen sie eher nicht nach dem „Was“?

Was bist du?

Menschen antworten auf die Frage „Wer bist du?“ meistens mit dem, was sie arbeiten, Postbote, YouTube-Star, Bibliothekarin, Psychologe, Chirurgin, Klempner. Beantwortet das die Frage, nach dem wer du bist? Ich denke nein. Was wir arbeiten macht sicher einen Teil dessen aus, wer wir für den Moment sind. Aber erklärt nicht, wer du bist.

Bedeutet das, was wir sind, in dieser Welt mehr als das, wer wir sind? Menschen scheinen das zu glauben. Oder würden sie sonst so selbstverständlich die Frage nach dem Wer mit einer Antwort aus dem Was reagieren? Vielleicht sind sich die Menschen aber einfach auch nicht darüber im Klaren, wer sie sind. Und vielleicht ist diese Frage ja auch gar nicht so einfach zu beantworten.

Wer bist du?

Wer bin ich? Ich bin ein atmendes, denkendes, fühlendes Wesen. Soviel kann ich für den Moment feststellen über mich. War gar nicht so schwer, mir diese Frage zu stellen und sie zu beantworten. Dass das nicht die ganze Antwort sein kann, vermute ich jetzt einfach mal. Ich finde es spannend, sich weiter auf diese Reise zu begeben und zu erforschen wer ich bin.

Die Welt des Tanzes

Die Welt des Tanzes

Ich hatte ja keine Ahnung. Tanzen? Tanzen hieß bislang auf einer Party ein bisschen rumhopsen. Jeder schön für sich alleine und ab und an engtanzen zu Kuschelrock 19. Paartanz? Schrittfolgen? Figuren tanzen? Der Herr begleitet die Dame am Ende des Tanzes zum Tisch? Nee. Das war doch alles 1978, Tanzstunde zu Musik, die man mit 14 bescheuert fand und die mich damals nicht zum Fan des Paartanzes machten sollte.

Nun. Die Folge dieses pubertäres Prägung war: Ich habe seit 1978 so gut wie nie wieder Cha Cha, Rumba oder Foxtrott getanzt. Dabei hatte ich Cha Cha gemocht, schon damals, mit 14.

Szenenwechsel. 38 Jahre später. Der Liebste schlägt vor, an einem Tanzworkshop teilzunehmen. Klar. Warum nicht. Ein bisschen koordinierte Bewegung tut bestimmt gut. Und lustig kann das vielleicht auch sein. Ich gucke in den Seminarplaner. Ballroom Dance Special, das klingt interessant. Ich, Kind der 70er, habe sofort „Ballroom Blitz“ von Sweet im Ohr. Ok, dass sie das dort spielen erscheint mir unwahrscheinlich. Dennoch zieht mich genau dieses Wort an. Ballroom – das klingt nach knisternden, knielangen Taftkleidern mit ausgestelltem Rock, nach Eintänzern und Bowle und 50er-Jahre-Musik. Außerdem findet das Wochenende in einem schönen, alten Gutshof im Märkischen statt, der Ballroom liegt direkt am See. Wenn es doof sein sollte, kann man sich also immer noch ein nettes Badewochenende machen. Denke ich.

Gebadet haben wir. Ja, in Schweiß. Bei 31 Grad schwüler Sommerhitze wird so ein 1-2-Cha-Cha-Cha zu einem Hochleistungssport mit Abnehmgarantie. Und dieser Sport hat saumässig Spaß gemacht! Was war das für ein Vergnügen als die ersten Drehungen beim langsamen Walzer klappten und mein Süßer mich übers Parkett schweben ließ. Und als wir erst entdeckt haben, dass wir ein Milonga-Paar sind!! Wow! Ist das cool mit leicht gebeugtem Knie, im Rückwärtsschritt, die Schultern aneinander geschmiegt durch den Raum zu schieben. Foxtrott und Disco-Fox, ok, das haben wir so mitgenommen, das war keine Liebe auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick. Bei Cha Cha und Charleston gingen unsere Leidenschaften etwas auseinander. Und dennoch, die Leidenschaft für das Tanzen im Allgemeinen ist geweckt, der Tangokurs für nächstes Jahr gebucht.

Etikette hat nichts mit Etikett zu tun

Noch etwas anderes hat mich an diesem Workshop sehr berührt – und zwar, welchen Wert Etikette im Leben einnehmen kann. Es macht einfach einen Unterschied, ob man gefragt wird: „Ey, komm‘ … tanzen!“ (und einen die Hand des Partners dabei mit einen leichten Klaps auf den Oberarm zum Aufstehen auffordert). Oder ob jemand sagt: „Darf ich bitten?“ (und der Partner einem dabei die geöffnete Hand als Einladung zum Aufstehen hinhält).

Benehmen gehört genauso selbstverständlich zum Tanzen wie Musik. Und so hat es wirklich großes Vergnügen gemacht, von unseren Tanzlehrern zwischendurch immer mal wieder eine Lektion in Etikette zu erhalten. Der Mann geht beispielsweise treppab immer eine halbe Stufe vor der Dame, treppauf eine halbe hinter ihr. Maximal drei Tänze, dann sollte man die Dame fragen, ob eine Pause genehm ist. Dazu führt der Mann sie zum Platz, rückt ihr den Stuhl zurecht und erkundigt sich nach ihrem Getränkewunsch. Herrlich! Ich finde das toll! Und gleich mal vorab: Das hat überhaupt gar nichts mit einem reaktionären Rollenbild zu tun, sondern mit Höflichkeit. Und an der mangelt es unserer Tage leider viel zu häufig.

Mein Fazit nach 3 Tagen Ballroom Dance lautet: Es ist eine tolle Gelegenheit mal komplett aus dem Alltag rauszutreten. Man hat eine außergewöhnliche Zeit zu zweit. Schaut dem Partner mal wieder richtig lange in die Augen. Und für das Zweierlei ist Tanzen eine sehr gute Übung in Vertrauen. Sich selbst und anderen.

Das dritte Jahr

Das dritte Jahr

Heute morgen zog ich mich zuerst ganz in Schwarz an.  Schwarze Hose, schwarze Bluse, schwarze Schuhe. Ich rannte in der Wohnung rum, fönte die Haare, machte Frühstück für die Familie und fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Schließlich zog ich mich um.

Nach dem Tod meines Mannes hatte ich eine Zeitlang viel über Rituale nachgedacht. Sollte ich welche etablieren? Und wenn ja, welche? An seinem Geburtstag und an seinem Todestag zum Grab gehen, in Stille vor dem Grabstein verweilen und Blumen niederlegen? Ich entschied mich dagegen. Denn es fühlte sich nicht so an, als ob das zu mir und zu ihm gehören würde. Dort auf dem Friedhof ist für mich nichts von ihm. Es ist nicht mein Ort des Gedenkens. Ich denke im Alltag an ihn. Erzähle von ihm. Orte erinnern mich an ihn, an denen wir wirklich zusammen waren. Und eben nicht dieser Ort, der Friedhof, an dem wir nie gemeinsam waren.

Heute, am dritten Todestag, gehe ich wie gewohnt ins Büro. Und doch ist es kein gewöhnlicher Tag.  Seit Tagen rekapituliere ich den 20. Juni 2013, sage mir im Kopf still die Uhrzeiten auf wann was passierte – wie ein Gedächtnisprotokoll. Diese Daten sind fix. Doch heute passieren zu diesen Uhrzeiten andere Dinge. Es passiert Alltag. Mein Leben. Diese Daten gehören zu meinem Leben wie auch die Dinge, die heute geschehen, drei Jahre später. Das Leben steht nicht still. Zum Glück.

Zwei Jahre

Was kann sich in zwei Jahren alles ändern? Die Welt. Das Leben. Das Denken. Auch das Fühlen? Nein. Unvermittelt konfrontiert mit einem Foto des geliebten Mannes, der vor zwei Jahren ein so gewaltsamen Todes gestorben ist, breche ich in Tränen aus. Kommen alle Gefühle von Schmerz, Verlust, Trauer, Liebe und Sehnsucht wieder hoch. Da lächelt er mich an, aus Facebook heraus, wo seine Tochter ein wundervolles Foto von ihm mit ihr und ihrem damals noch kleinen Bruder gepostet hat. Es ist eine stimmungsvolle Schwarzweiß-Aufnahme. Die beiden Kinder lachen, ihr Vater lächelt sein verschmitztes Lächeln, das ich so sehr geliebt habe. Er blickt direkt in die Kamera. Er blickt mich an. Es ist ein Gruß vom anderswo hierher. So soll ich es sehen, hat mir mal eine Heilerin empfohlen. (mehr …)

Boxenstopp

Kürzlich erzählte ein Kollege von seinen Freuden und Leiden beim Zusammenziehen mit seiner Freundin. In die Kategorie Leidwesen fiel ein Lamento über Frauen und Lautsprecherboxen. Ich horchte auf. Denn eine sehr ähnliche Diskussion führte ich auch derzeit. Ein weiterer Kollege konnte vergleichbare Erinnerungsstücke aus der Arbeit an der gemeinsamen der Einrichtung des Eigenheims beisteuern. Einhellige Meinung war: Frauen mögen keine großen Boxen in der Wohnung. Ist das so? Ja. Vielleicht jetzt. Aber war das schon immer so? Nein. (mehr …)