Heute morgen zog ich mich zuerst ganz in Schwarz an. Schwarze Hose, schwarze Bluse, schwarze Schuhe. Ich rannte in der Wohnung rum, fönte die Haare, machte Frühstück für die Familie und fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Schließlich zog ich mich um.
Nach dem Tod meines Mannes hatte ich eine Zeitlang viel über Rituale nachgedacht. Sollte ich welche etablieren? Und wenn ja, welche? An seinem Geburtstag und an seinem Todestag zum Grab gehen, in Stille vor dem Grabstein verweilen und Blumen niederlegen? Ich entschied mich dagegen. Denn es fühlte sich nicht so an, als ob das zu mir und zu ihm gehören würde. Dort auf dem Friedhof ist für mich nichts von ihm. Es ist nicht mein Ort des Gedenkens. Ich denke im Alltag an ihn. Erzähle von ihm. Orte erinnern mich an ihn, an denen wir wirklich zusammen waren. Und eben nicht dieser Ort, der Friedhof, an dem wir nie gemeinsam waren.
Heute, am dritten Todestag, gehe ich wie gewohnt ins Büro. Und doch ist es kein gewöhnlicher Tag. Seit Tagen rekapituliere ich den 20. Juni 2013, sage mir im Kopf still die Uhrzeiten auf wann was passierte – wie ein Gedächtnisprotokoll. Diese Daten sind fix. Doch heute passieren zu diesen Uhrzeiten andere Dinge. Es passiert Alltag. Mein Leben. Diese Daten gehören zu meinem Leben wie auch die Dinge, die heute geschehen, drei Jahre später. Das Leben steht nicht still. Zum Glück.
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